Erfreulicherweise hat sich die Kanzlei AfA Rechtsanwälte bereit erklärt, uns einige Fragen zum Thema Arbeitsrecht, insbesondere zum Thema Burnout, zu beantworten. Die Fragen wurden von burn-out-syndrom.org gestellt und von Nadja Häfner-Beil beantwortet.
Inhaltsverzeichnis
- Vorstellung
- Berufsunfähigkeitsversichung bei Burnout-Syndrom
- Schadensersatz / Schmerzensgeld vom Arbeitgeber
- Psychische Gesundheit im Arbeitsschutzrecht
- Einschätzung der Gesetzeslage zum Schutz der Arbeitnehmer
- Verbrennen von Mitarbeitern trotz zunehmender Wertschätzung
- Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) / krankgeschrieben: Was ist erlaubt?
- Muss der Arbeitgeber über die Diagnose informiert werden?
- Kündigung aufgrund von Langzeiterkrankung durch den Arbeitgeber?
- Links
Nadja Häfner-Beil ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und arbeitet bei AfA Arbeitsrecht für Arbeitnehmer, einer Rechtsanwaltskanzlei aus Nürnberg.
Die AfA Rechtsanwälte sind eine der wenigen Spezialkanzleien für Arbeitsrecht in Deutschland. Als Fachanwälte für Arbeitsrecht beraten wir ausschließlich Arbeitnehmer und Betriebsräte bundesweit. Niederlassungen führen wir derzeit an den Standorten Nürnberg, Bamberg und Rostock. Ich bin seit 2008 bei den AfA Rechtsanwälten und betreue dort als Fachanwältin für Arbeitsrecht Mandanten in allen arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Fragen.
Das Burn-Out-Syndrom selbst verursacht meist viele Einzelerkrankungen, beispielsweise psychische Erkrankungen. Wenn aufgrund einer Erkrankung eine Berufsunfähigkeit festgestellt wird, also für eine gewisse Dauer davon auszugehen ist, dass die Tätigkeit nicht ausgeübt werden kann, sollte auf jeden Fall geprüft werden, ob ein Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt werden kann und dieser sinnvoll ist. Die eigentliche „Berufsunfähigkeit“ ist als Rentenform in der gesetzlichen Rentenversicherung nur noch für Menschen möglich, die aufgrund ihres Alters in einer Besitzstandsregelung sind. Oft haben die Mandanten aber zusätzlich private Berufsunfähigkeitsversicherungen. In diesem Fall muss geprüft werden, ob die Versicherung eintrittspflichtig ist. Oft versuchen sich die Versicherungen hier Kosten zu sparen. In diesem Fall sollten die Betroffenen Ihre Rechte durchsetzen!
Sofern der Arbeitgeber schuldhaft dafür verantwortlich ist, dass ein Burn-Out-Syndrom die Gesundheit des Mitarbeiters nachhaltig schädigt, kann ein Schadensersatzanspruch möglich sein. Ebenso wie bei Mobbingsachverhalten muss der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht dafür Sorge tragen, dass der Mitarbeiter durch die Arbeit keine Gesundheitsschäden erleidet. Wichtig ist, dass Mitarbeiter, am besten nachweislich, ihre Vorgesetzten auf Probleme hinweisen und Abhilfe verlangen.
Ja, mit der Novellierung vom 27.06.2013 der §§ 4 und 5 ArbSchG wurden nun auch die psychischen Belastungen mit aufgenommen. Es wurde hierdurch deutlich gemacht, dass psychische Belastungen gerade auch im Bereich des Arbeitsschutzes ernst zu nehmen sind.
Die gesetzlichen Vorgaben, sind die eine Seite, die Umsetzung durch Gericht eine Andere. Derzeit ist das Thema bei Gericht meiner Erfahrung nach noch nicht präsent genug. Sicher ist die ausdrückliche Aufnahme im Arbeitsschutzgesetz ein erster Schritt. Ausreichend ist es in meinen Augen noch lange nicht.
Die Zunahme liegt meines Erachtens in unserer fortschreitenden technischen Entwicklung. Wir haben Smartphones, sind immer und überall erreichbar und leben in einer immer schnelllebigeren Zeit. Wenn früher eine Sache nach Feierabend rein kam, hat der Mitarbeiter sie am nächsten Tag bearbeitet. Heute wird er abends angerufen, wenn „es brennt“. Weder die Unternehmer noch die Mitarbeiter merken, wie diese Vorgehensweise langsam dazu führt, dass Erholung vom Job nicht mehr wirklich möglich ist. Da ist es völlig unbeachtlich, wenn die Mitarbeiter Boni bekommen oder ihnen kostenfrei das Mittagessen zur Verfügung gestellt wird. Natürlich sind solche Leistungen wichtig, um qualifiziertes Humankapital zu halten. Sie werden aber die sich steigernden psychischen Belastungen nicht ändern können. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Wenn ich einen Mitarbeiter dauerhaft für mein Unternehmen gewinnen möchte, muss ich ihm auch Freiräume zur Erholung geben, in denen er nicht für mich erreichbar ist. Diese Einsicht ist in vielen Unternehmen noch nicht angekommen!
Es ist alles erlaub, was der Arzt nicht als genesungsfeindlich einstuft. Anders als bei einer fiebrigen Grippe wird der Arbeitnehmer der aufgrund von psychischen Erkrankungen arbeitsunfähig ist unproblematisch außer Haus gehen können und sogar verreisen dürfen. Im Gegenteil, oftmals helfen Reisen, Ablenkung und gute Erlebnisse bei psychischen Erkrankungen mehr, als zu Hause zu sitzen. Der Arbeitgeber kann nicht verlangen, dass sich der Arbeitnehmer in einer bestimmten Weise verhält. Nur der Gesundheit oder Genesung schaden, darf das Arbeitnehmerverhalten nicht. Die Beurteilung, was schadet, obliegt aber nicht dem Arbeitgeber, sondern dem behandelnden Arzt.
Nein, der Arbeitgeber muss wissen, dass der Arbeitnehmer nicht zu Arbeit kommen kann. Es muss sich also rechtzeitig im Vorfeld vor Arbeitsbeginn abgemeldet werden. Diagnosen oder Erkrankungen allgemein gehen den Arbeitgeber nichts an. Allenfalls im Rahmen eines sog. betrieblichen Eingliederungsmanagements können die Erkrankungen selbst für den Arbeitgeber eine Rolle spielen. Auch hier rate ich aber zur Vorsicht. Es kommt nicht selten vor, dass die Arbeitnehmer durch die freimütige Weitergabe ihrer Erkrankungen sich selbst die Grundlage für eine Kündigung schaffen!
Das Bundesarbeitsgericht hat hier strenge Maßstäbe angelegt. Der Mitarbeiter muss über einen langen Zeitraum (meist über zwei Jahre) durchgängig erkrankt sein. Außerdem muss der Arbeitgeber noch Betriebsablaufstörungen durch diese Erkrankung darlegen. Das wird nur sehr selten gelingen, da sich bei einer langen Erkrankung auch der Arbeitgeber auf den Ausfall eingestellt haben wird. Viel praxisnäher sind Kündigungen wegen häufiger Kurzerkrankungen oder wegen der dauerhaften Unmöglichkeit die Arbeit zu verrichten. Im Einzelfall muss das detailliert geprüft werden. Nicht selten sprechen die Arbeitgeber bei Langzeiterkrankten einfach eine Kündigung aus, obwohl sie sich der Unwirksamkeit der Kündigung bewusst sind. Gegen eine Kündigung muss innerhalb von 3 Wochen Klage erhoben werden, sonst gilt sie als wirksam –und zwar auch dann, wenn sie eigentlich unwirksam wäre. Wehrt sich der Arbeitnehmer nicht oder lässt er sich mit etwas Geld abspeisen, dann hat der Arbeitgeber sein Ziel trotz unwirksamer Kündigung erreicht. Eine schnell Reaktion des Arbeitnehmers und eine vernünftige Prüfung durch einen Fachanwalt sind deshalb sehr wichtig!
- Symptome
Informieren Sie sich über die Symptome bei Burnout! - Definitionen
Maslach, Freudenberg und die aktuelle Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) - Angehörige
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- AfA Rechtsanwälte
- Artikel „Unternehmen müssen sich vor Burnout-Klagen fürchten“ in der Wirtschaftswoche
- Burnout: Diese rechtlichen Fragen müssen Sie beachten (leuthner-consulting.de)
Letzte Aktualisierung am 23. Januar 2017.
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