Berufsunfähigkeitsversicherung
Burnout, Erschöpfung, Depression und Angst sind häufig Folgen einer übermäßigen Arbeitsverdichtung – Mehrarbeit, Überforderung, Zeitdruck oder Konflikte mit Vorgesetzten und Kollegen gelten als die häufigsten Ursachen. Für Betroffene ist es, nicht zuletzt wegen der die Erkrankung begleitenden Existenzängste, wichtig zu wissen, ob und wie Berufsunfähigkeitsversicherungen das Risiko Burnout-Syndrom abdecken und was auf dem Weg zu einer Berufsunfähigkeitsrente zu beachten ist.
Inhaltsverzeichnis
- Wie relevant ist das Thema Berufsunfähigkeit durch Burnout in der Praxis?
- Ist denn jeder, der an Burnout erkrankt, auch gleich berufsunfähig?
- Eine längere Krankschreibung wegen Arbeitsunfähigkeit bedeutet also Berufsunfähigkeit?
- Welche Voraussetzungen müssen denn erfüllt sein, damit man als berufsunfähig gilt?
- Die Hürden für die Stellung eines Berufsunfähigkeitsantrages sind recht hoch?
- Das alles ist doch eigentlich keine typische Anwaltstätigkeit?
- Wie geht es denn weiter, wenn der Antrag abgegeben wurde?
- Wie stellt sich denn generell das Regulierungsverhalten der Versicherer in Fällen von Burnout, Depression, Anpassungs- und Erschöpfungssyndrom dar?
- Das Ergebnis des Gutachtenauftrags ist also schon von vornherein klar?
- Gibt es weitere Gründe, warum die Versicherer Ansprüche auf BU-Leistungen ablehnen?
- Welche Empfehlungen würden Sie Betroffenen geben, die Rentenleistungen aus ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung beantragen wollen?
- Hilfe: Anwaltliche Unterstützung beim BU-Antrag anfragen!
Wir sprachen mit Rechtsanwalt Peer Fischer, Partner der auf den Bereich Berufsunfähigkeitsleistungen spezialisierten Kanzlei BBP Rechtsanwälte & Fachanwälte mit Standorten in Berlin, Rostock und Köln.
Man muss schon sagen, dass die Zahl der Anfragen von Mandanten, die wegen Burnout, Anpassungsstörungen oder einem Erschöpfungssyndrom anwaltliche Beratung und Unterstützung in Sachen Berufsunfähigkeit ersuchen, in den letzten Jahren stetig gestiegen ist. Das deckt sich mit den mir bekannten Statistiken, nach denen psychische bzw. Nervenerkrankungen mit fast einem Drittel inzwischen die häufigste Ursache der Berufsunfähigkeit darstellen.
Das hängt natürlich von der genauen Diagnose ab, ob etwa eine mittelgradige oder schwere depressive Episode vorliegt, den Auswirkungen der Erkrankung auf die berufliche Tätigkeit und wie lange die Krankheit bereits besteht – oder nach Ansicht der behandelnden Ärzte noch bestehen wird. Alles was länger als sechs Monate dauert, kann auf eine Berufsunfähigkeit hindeuten.
Leider nein. Die Versicherer nehmen es da ganz genau und leisten nur, wenn tatsächlich die Berufsunfähigkeit über einen längeren Zeitraum ärztlich nachgewiesen wird. Arbeitsunfähig heißt also nicht automatisch berufsunfähig – es sei denn, die Versicherungspolice verfügt über eine so genannte AU-Klausel.
Auch wenn es zwischen den Versicherern kleinere Unterschiede gibt, liegt Berufsunfähigkeit in der Regel vor, wenn ein Versicherungsnehmer in Folge seiner Erkrankung zu mindestens 50 % nicht mehr in der Lage ist, seinen Beruf dauerhaft auszuüben. Dauerhaft bedeutet je nach Versicherer, voraussichtlich mindestens 6 bis 12 Monate.
Die Berufsunfähigkeit ist ärztlich nachzuweisen, das heißt, der Versicherungsnehmer muss seinen behandelnden Arzt dazu bewegen, dass er ihm eine entsprechende Stellungnahme ausstellt, denn die allgemeinen Behandlungsunterlagen reichen in aller Regel nicht aus. Hier beginnen bereits die ersten Probleme…
Erstens können die meisten Ärzte schon gar nichts mit den Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit anfangen, zweitens müssen sie ja zunächst wissen, was ihr Patient beruflich so treibt, um zu beurteilen, ob die Erkrankung auch wesentliche Auswirkungen auf seine Tätigkeit hat. Dabei muss der Versicherungsnehmer – nach BGH-Rechtsprechung – im Prinzip seine berufliche Tätigkeit – die sog. Berufskunde – stundenplanartig ausarbeiten und dem Arzt vorlegen.
Ja, und das sicher nicht unabsichtlich. Bei der zu erstellenden Berufskunde kommt z.B. erschwerend hinzu, dass es an Burnout bzw. Depression erkrankten Mandanten üblicherweise nicht wirklich leicht fällt, sich mit ihrer beruflichen Tätigkeit – der Ursache ihrer Erkrankung – auseinanderzusetzen. Da kann die Erstellung einer Tätigkeitsbeschreibung, bei der wir unterstützend zu Seite stehen, auch schon einmal einige Wochen dauern. Wir versuchen zudem die behandelnden Ärzte schon zu einem frühen Zeitpunkt mit ins Boot zu holen, um einen passenden Nachweis über die Berufsunfähigkeit zu erhalten.
Das stimmt – aber es hat sich herauskristallisiert, das es sinnvoll ist, nicht erst anwaltlich tätig zu werden, wenn das Kind im Brunnen ist, also ein Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente vom Versicherer abgelehnt wurde, sondern im Vorfeld die Antragstellung bereits zu optimieren, um die Chancen eines erfolgreichen Antrages zu erhöhen. Da verfügen wir Dank einer Vielzahl von Fällen und jahrelanger Erfahrung über die entsprechende Expertise. Allerdings, das muss man auch wissen, übernehmen die Rechtsschutzversicherer die Antragsbegleitung nicht. Am Ende dürfe es sich jedoch für unsere Mandanten rechnen, die in den meisten Fällen erhalten sie bei einem Anerkenntnis aus den bereits aufgelaufenen BU-Renten dann eine größere Zahlung des Versicherers.
Der Versicherer prüft in einem ersten Schritt, ob bereits sämtliche mit dem Antrag angeforderten Unterlagen eingereicht wurden. Üblicherweise wird er bei den behandelnden Ärzten und der Krankenkasse weitere Unterlagen anfordern, um eine möglichst vollständige medizinische Dokumentation vorliegen zu haben. Sobald die Unterlagen vollständig sind, prüft der Versicherer, ob eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliegt. Diese Prüfung sollte nicht mehr als vier bis sechs Wochen dauern.
Wir haben in der Praxis bei der Symptomatik Burnout ein eher vorsichtiges Regulierungsverhalten der Versicherer festgestellt. Das liegt zum einen daran, dass anders als etwa bei einem Bandscheibenvorfall oder Wirbelsäulenschaden, bei dem entsprechende MRT- oder Röntgenbilder vorgelegt werden können, die Diagnose Burnout bzw. Depression nicht eindeutig verobjektivierbar ist. Zum anderen bezweifeln die Versicherer oft auch die Dauerhaftigkeit der Erkrankung. Hier wird dann häufig auf Zeit gespielt.
Das kann man so nicht sagen, aber die Hürden bis zu einem erfolgreichen Antrag liegen noch etwas höher. Daher ist es unerlässlich, den Antrag gut vorzubereiten. Ist der Versicherer nach Aktenlage nicht überzeugt, so hat er jederzeit die Möglichkeit, ein weiteres medizinisches Gutachten über die Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers einzuholen. Wen er damit beauftragt, steht im Ermessen des Versicherers. Der Versicherungsnehmer hat hier keinerlei Mitspracherechte.
So weit würde ich nicht gehen. Es gibt Versicherer, die zunächst versuchen, sich mit dem Versicherungsnehmer auf einen medizinischen Gutachter zu einigen. Wird allerdings ein medizinischer Gutachter beauftragt, der regelmäßig für die Versicherungsbranche tätig ist, ist es wenig verwunderlich, wenn das entsprechende Gutachten positiv für den Versicherer ausfällt. Man beißt eben nicht die Hand, die einen füttert, heißt es doch so schön. Dies gilt umso mehr, als dass bei psychischen Erkrankungen durchaus Beurteilungsspielräume bestehen, die von den Sachverständigen genutzt werden können.
Fällt das Gutachten negativ für unseren Mandanten aus, dann wird die Berufsunfähigkeitsversicherung nach Prüfung vermutlich das Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit verweigern. In diesem Fall bleibt neben dem Versuch einer außergerichtlichen Einigung, in deren Rahmen das Gutachten angegriffen wird, dann oft nur der Weg zum Gericht. Im Rahmen des Prozesses wird dann später ein weiteres medizinisches Gerichtsgutachten beauftragt, welches dann feststellt, ob eine Berufsunfähigkeit im medizinischen Sinne vorlag oder nicht.
Der fehlende medizinische Nachweis ist nur einer von diversen Ablehnungsgründen. Oft werden Leistungen abgelehnt, weil dem Versicherungsnehmer die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten unterstellt wird, er also insbesondere frühere Erkrankungen bei der Stellung des Versicherungsantrages nicht angegeben haben soll. Nach unserer Erfahrung sind Kündigungen oder Anfechtungen jedoch oft nicht rechtmäßig.
Betroffene, bei denen Burnout bzw. eine Depression diagnostiziert wurde, sollten sich gerade aufgrund der Symptome Unterstützung bei der Stellung des BU-Antrages holen -sei es aus der Familie, sei es durch einen Anwalt.
Jedem Betroffenen sollte klar sein, dass die Stellung eines Antrages auf Berufsunfähigkeitsrente – nicht zu verwechseln im Übrigen mit der staatlichen Erwerbsminderungsrente – ein durchaus langwieriges Verfahren sein kann, bei dem zunächst die Zuarbeit vor allem von Seiten des Versicherungsnehmers gefordert ist.
Ein schnelles Anerkenntnis eines BU-Antrages wird es von Seiten des Versicherers nur in Ausnahmefällen geben. Gleichzeitig raten wir unseren Mandanten stets dazu, am besten bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung, spätestens jedoch mit ausreichendem zeitlichen Abstand vor der geplanten Antragstellung, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, da Berufsunfähigkeitsprozesse sehr teuer werden können.
Nach unserer Erfahrung lohnt es sich absolut, auch bei Verweigerung eines Anerkenntnisses oder im Falle einer Kündigung oder Anfechtung des Versicherungsvertrages weiter für den Anspruch auf BU-Rente zu kämpfen – in vielen Fällen ist eine außergerichtliche Einigung mit dem Versicherer möglich, Gerichtsverfahren haben grundsätzlich auch gute Aussicht auf Erfolg, auch wenn die Mühlen der Justiz angesichts der teilweise existenziellen Bedeutung der Angelegenheit für unsere Mandanten deutlich zu langsam mahlen. Aber auch hier bleiben wir mit dem Gegner stets im Gespräch und versuchen, für unsere Mandanten bestmögliche Ergebnisse, z.B. in Form eines gerichtlichen Vergleichs, zu erreichen.
Mehr Informationen:
Letzte Aktualisierung am 5. Oktober 2020.